Rafa³
Jakubowicz, geboren 1974 in Poznañ. Künstler und
Kunstkritiker. Abschluss mit Diplom an der Akademie für Bildende
Künste in Poznan und derzeit Doktorand am Kunsthistorischen
Institut der Adam Mickiewicz Universität, Poznan. Seine Kunst
entwickelte sich schnell – von großformatigen, abstrakten
Gemälden bis zu intelligenten und umstrittenen Aktionen die
immer im strengen Verhältnis zur Realität stehen. Voller absurden
Humors, doch gleichzeitig voller Gefühl für anarchisierende
Gemütslagen der Gesellschaft sind die Projekte der Gruppe
Wunderteam, in der neben Rafa³ Jakubowicz auch Wojciech Duda
und Pawe³ Kaszczyñski mitwirken.
Die Installation „Arbeitsdisziplin” (2002) zeigt einen Ausschnitt
der Fabrikgebäude von Volkswagen in Antoninek bei Poznañ.
Diese einfache, doch durch den Verweis auf feindselige Bilder
unserer visuellen Erinnerung sehr eindringliche Arbeit, rief
einen der größten künstlerischen Skandale in Polen hervor.
In Folge einer beispiellosen Einmischung der Volkswagendirektion
und des Oberbürgermeisters von Poznan wurde die Ausstellung,
die in der städtischen Galerie Arsena³ stattfinden sollte,
zurückgerufen. Letztendlich wurde die Ausstellung in dem besetzten
Haus Rozbrat in Poznan gezeigt. Es ist der erste Fall von
Zensur zeitgenössischer Kunst in Polen überhaupt, welche auf
Druck des Privatkapitals hin ihren Verlauf nahm. Ein polnisches
Sprichwort lautet: „Hau auf den Tisch – Die Schere wird antworten”.
Micha³
Budny, geboren 1976 in Leszno. Budny stellt raffinierte
Rekonstruktionen von Gegenständen und Formen her, die er im
direkten Umfeld des modernen Menschen findet (Postkarten,
Anzeigen, Handys, CD-Player usw.). Mittelgroße, leichte Objekte,
hergestellt aus Pappe und verschiedenen Sorten oft vergilbten
Papiers, zeichnen sich durch ihre edelmutige und zurückhaltende
geradezu abstrakte Form aus. Es scheint, wir hätten es mit
zeitlosen Modellen von Dingen zu tun, die von ihrer Funktion
gesäubert wurden und zur Quintessenz ihrer Form und der auf
ihr abgelagerten Zeit wurden. In seinen neuesten Arbeiten
versucht Micha³ Budny auch Naturereignisse, die keine festgeschriebene
Form haben, wie etwa Sprache, Regen oder Nebel, mit Hilfe
von Papier und Schere nachzuempfinden.
Für die Ausstellung „Leichte Arbeit” hat Micha³ Budny zwei
Projekte vorbereitet. Ein Werk aus der Serie der „unmöglichen”
Skulpturen – der Lichtstrahl. Zum anderen, das Projekt „Leichte
Arbeit live”. An den ersten Tagen der Ausstellung wird er
seine Skulpturen kleben – eine nicht enden wollende Serie
von Kohlestücken.
Die Skulpturen aus Pappe und Papier, die emsig von dem Künstler
geklebt werden, sind leicht (sie wiegen nicht viel), doch
ihr Sinn ist komplizierter – sie beschreiben den Zustand von
Dingen und Gefühlen, die sich nicht in Gewichtseinheiten messen
lassen. Zugleich scheinen sie sehr nah zu sein, häuslich,
hergestellt mit Papier und Klebstoff geben sie Form und Sinn
dem, was uns zuvor wie leerer Raum zwischen uns vorkam.
Rafa³ Bujnowski, geboren
1974 in Wadowice. Maler und Grafiker. Der Kern seiner Arbeit
ist die grenzüberschreitende, über die Malerei hinausgehende
Frage nach dem gesellschaftlichen Status der Kunst und des
Künstlers. Wofür sind die Bilder und woher kommen sie? In
seinen verschiedenen Arbeiten, Bilderserien mit naturalistischen
Bild-Gegenständen, gerahmten Bildern oder selbstständig durchgeführten
Renovierungsarbeiten in Kunstgalerien – entledigt sich Rafa³
Bujnowski vorsätzlich von der künstlerischen Subjektivität
und Individualität zu Gunsten von zweckgebundenem Automatismus.
Er ist fasziniert von der Vereinbarkeit der Kunst, seine Arbeiten
kann man als eigenwillige Modelle bezeichnen, als Entwürfe
der Kunst, die einem den eigenen konventionellen Blick bewusst
werden lassen.
Das Gefühl der Vereinbarkeit der Kunst und der Verhältnismäßigkeit
ihres Wertes wirken auf ihn beunruhigend, doch im selben Moment
treiben sie ihn zur verstärkten Aktivität an. Fleiß ist für
Rafa³ Bujnowski das Gradmaß der Ehrlichkeit des Künstlers,
deshalb malt er viel, manchmal dutzende gleicher Bilder.
Sein neuestes Projekt – eine Serie kleiner Holzregale – bezieht
sich direkt auf die vereinbarten Werte, die bestimmten Gegenständen
zugeschrieben werden, darunter auch Kunstwerken. In einer
Firma, die sich auf die Konservation von Möbeln spezialisiert,
hat er acht Repliken kleiner Holzregale aus dem Johannes Paul
II Museum in Wadowice bestellt – es ist das letzte erhaltene
Möbelstück aus dem Elternhaus des polnischen Papstes. Ein
typischer serieller Gegenstand vom Anfang des 20. Jahrhunderts,
der nur durch den Zufall den Rang eines historischen Ausstellungsstückes
erreicht hat. Durch die Vervielfältigung provoziert er zu
weiteren Gedanken über Originalität und Reproduktion von Gegenständen.
Es ist aber auch subtile Reflexion über den gesellschaftlichen
Bedarf am Kultischen und seiner materiellen Manifestationen.
Agata
Bogacka, geboren 1976 in Warszawa. Genießt den doppeldeutigen
künstlerischen und gesellschaftlichen Status eines Stars der
Warschauer Szene. In ihren Bildern, hier ist sie eine Ausnahme
in Polen, verbindet sie formelle Raffinesse mit einer sehr
tief verwurzelten emotionellen Autobiographie. Agata Bogacka
malt vorzugsweise Porträts ihrer Freunde, Liebhaber, Bekannten,
Familienmitglieder und ihre eigenen. Die Bilder scheinen kühl
und sparsam. Hinter dieser sterilen Form verbergen sich beunruhigende
Themen über zerstörte Beziehungen, psychische Verwirrungen
und Depressionen. Die zahlreichen Selbstporträts können den
Betrachter durch Erotismen verstören – doch sind sie melancholisch
und provokant zugleich. In den neuesten Arbeiten finden sich
Szenen aus dem Grenzbereich zwischen Realität und Fantasie
und ihre Logik weicht Psychedelischem, Ängsten und Trugbildern.
Ihre Arbeit steht der psychischen Obsession näher als dem
ausgebildeten Kunsthandwerk, darüber erzählen auch ihre neuesten
Bilder, die in der Ausstellung „Leichte Arbeit” präsentiert
werden. Szenen wie aus einem Albtraum, in dem sich die Künstlerin
nicht vor der rosa Farbe wehren kann. Sie kleckert mit ihr
und schafft dadurch Bilder, doch es sind nicht abstrakte Farbkompositionen,
sondern greifbare Spuren menschlicher Anwesenheit.
Oskar
Dawicki, geboren 1971. Dawicki verbindet in seiner
Kunst Performance, Konzeptualismus und Kontextualismus. In
einer von Massenmedien und oberflächlicher Popkultur dominierten
Welt sucht er nach tieferen Gründen und Beweisen für seine
Existenz (oder Nicht-Existenz). Dabei entdeckt er absurde
und berechenbare Gesetzmäßigkeiten gesellschaftlicher Kommunikation:
Einer Detektivagentur hat er den Auftrag erteilt, auf die
Frage „Wer ist Oskar Dawicki?“ zu antworten. Während zwei
Jahren Arbeit in einer Werbeagentur hat er heimlich sein extrem
verkleinertes Foto auf den Druckbögen platziert und nach einigen
Monaten Training hat er den Intelligenztest mit der maximalen
Punktzahl von 200 gelöst. Seine Performances sind hingegen
ontologisch-illusionistische Minispektakel, während derer
Dawicki – einem modernen Magier gleich – in Samtjacke auftritt.
Seine Arbeiten sind blinkende Lichter der Metaphysik im Tunnel
alltäglicher Realität.
Er zeigt Paradoxen auf – so wie in dem Projekt aus seiner
Zeit in der Werbeagentur – man kann sein Foto bis ins unermessliche
vervielfältigen und trotzdem anonym und völlig unerkannt bleiben.
Jeder sieht das, was er sehen will. Der Künstler taucht dort
auf, wo die Routine unsere Wahrnehmung abdämpft. Er überredet
uns zum radikalen Optikwechsel, zum Betrachten der Welt mit
Respekt für die Details, zum Beispiel zum Betrachten von Werbeprospekten
mit der Lupe, um festzustellen, dass neben dem „Kingsize Burger”
auch wirkliches Leben existiert. Diese Sammlung von Werbebildern
„mit einem Untermieter” sind eigensinnige „moderne” Selbstporträts
des Künstlers, der den Töpfern aus dem Mittelalter gleicht,
und sein eigenes Signet auf seinen Werken hinterlässt. Der
zeitgenössische Künstler baut zwar keine monumentalen Kirchen,
um Gott zu preisen, doch – bodenständiger – erhält er sich
durch Arbeit in einer Werbeagentur.
S³awomir Elsner, geboren 1976
in Wodzis³aw Œl¹sk. Zeichner, Maler, Fotograf und Filmemacher.
Lebt in Berlin. Elsner interessieren ästhetische Konventionen,
die von Menschen verwendet werden, um ihre Persönlichkeit
zu unterstreichen und auch die Ästhetisierung, die sie dem
Abbild der Welt zuordnen. In seinen Zeichnungen hat er Vertreter
verschiedener Berufsgruppen porträtiert und kürzlich schuf
er eine Serie monumentaler Nachtbilder, die inspiriert von
Pressefotografien von Kriegsschauplätzen die traurige Beobachtung
mit sich bringt, dass auf den Seiten bunter Nachrichtenmagazine
Raketenexplosionen zu buntem Feuerwerk werden. In einem seiner
Fotoprojekte hat sich S³awomir Elsner in die Rolle von 20
unterschiedlichen Berufsrollen hineinversetzt – vom Dönerverkäufer
zum Handballtrainer und Polizisten.
Seine Persönlichkeit verschwimmt fast vollständig vor unseren
Augen, denn in jeder
Rolle sieht er gleichermaßen überzeugend aus. Ist er nun der
sympathische Busfahrer oder der kleine Trickbetrüger mit sympathischer
Erscheinung, der darauf wartet, das nächste Opfer über den
Tisch zu ziehen, oder doch der verzweifelte Gastarbeiter,
der Anschluss sucht. In jedem Bild ist eine dramatische Note
– er hat keine Festanstellung, seine Persönlichkeit unterzieht
sich stetigem Wandel, wie die Arbeit – nur auf Abruf. Seine
Fotos und Filme sind aber gleichzeitig lustig, sie sind Verwechslungskomödien,
eine Folge von Missverständnissen, die zu absurden Schlussfolgerungen
führen kann. Von ihrer Art her sind sie unwirklich und lehren
einen die Realität als ein Spektakel zu betrachten, in dessen
Ablauf wir eingreifen können, indem man zu verschiedenen Tricks
greift.
TWO¯YWO
ist eine Warschauer Künstlergruppe, die Street-Art, Stadtguerilla
und Wortkultur verbindet. Derzeit arbeitet sie in Zweierbesetzung:
Mariusz Libel (geboren 1978) und Krzysztof Sidorek (geboren
1976), beide sind glücklich unvorbelastet durch etwaige Ausbildungen
an Kunsthochschulen. In den letzten Jahren hatten sie zwei
Plakatwände im Zentrum Warschaus zur Verfügung, auf denen
sie jeden Monat ihre neuen Plakate veröffentlichten. Ihre
Arbeiten basieren auf halsbrecherischen Wortspielen und einfacher
Grafik, sie sind zugleich auch ein aktueller Kommentar der
Realität, gesellschaftlicher Tendenzen und der sinnentleerten
Sprache der politischen Slogans.
TWO¯YWO war auch Vorreiter der „Vlepki” Bewegung („Vlepki”
sind kleine, witzige und absurde Aufkleber, die von jungen
Menschen in der ganzen Stadt, besonders gerne in Nahverkehrsmitteln,
verklebt werden) und kreative Nachfolger der Warschauer Schablonen-
und Graffitiszene. Zurzeit entwickeln sie Internetprojekte,
wie zum Beispiel die animierte Filmserie unter dem Titel „Kapitan
Europa”. Sie behandeln das Internet als einen der Straße gleichwertig
gestellten öffentlichen Bereich. Seit kurzem versuchen sie
ein Gleichgewicht zwischen Kunst und wirtschaftlicher Situation
zu schaffen und produzieren ihre Plakate in kleinen Auflagen,
die verkauft werden.
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